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Τετάρτη 3 Ιουνίου 2015

Herfried Münkler-Der Grexit ist ein geopolitisches Problem


Navarinoinvestment's kommentar:

Genau...

 
Politikprofessor Herfried Münkler über die Folgen eines griechischen Euro-Austritts und warum Deutschland kein Interesse an einem Brexit haben kann.
Angela Merkel und Alexis Tsipras
Bundeskanzlerin Merkel und Griechenlands Premierminister Tsipras: Gelächelt wird nur für die Fotografen – Foto: European Union

Herfried Münkler ist Professor für politische Theorie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er gehört zu den bekanntesten Politikwissenschaftlern Deutschlands. Herfried Münkler ist Professor für politische Theorie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er gehört zu den bekanntesten Politikwissenschaftlern Deutschlands. Zuletzt erschien "Macht in der Mitte: Die neuen Aufgaben Deutschlands in Europa".


Capital: Herr Münkler, viele Banker und Volkswirte sagen, ein Grexit sei heute ökonomisch verkraftbar. Ist er auch politisch verkraftbar?
Münkler: Wenn Griechenland nur aus dem Euro ausscheidet, bedeutet das politisch nicht sehr viel. Das ist ein rein ökonomisches Problem. Es gibt zwar das Argument, dass dann die Eurozone in ihrer Endgültigkeit und Unversehrbarkeit infrage gestellt wird. Dem kann man aber entgegenhalten, dass auch deutlich würde: Man kann in der Eurozone nicht machen, was man will.

Ein Grexit hätte also gar keine politische Bedeutung?
Die politische Dimension kommt eher daher, dass nach einem Grexit die Frage gestellt wird: Was passiert jetzt mit Griechenland? Wird es eher ein Land der Dritten Welt sein? Oder ein Land, das eine engere Anbindung an Russland sucht? Das ist ein geopolitisches Problem. Die griechische Regierung hat damit natürlich auch schon gespielt und gedroht: Wenn Ihr uns nicht weiter alimentiert, dann werden wir eine politische Karte spielen, die auf so etwas wie einen Bündniswechsel hinausläuft.
Ist das eine ernstzunehmende Drohung?
Ob die Griechen dazu wirklich in der Lage und bereit sind, ist schon sehr die Frage. Sie bekommen ja auch unabhängig von der Währung eine Alimentation durch die Europäische Union. Diese würden sie eintauschen gegen eine sehr unsichere Alimentation durch die Russen, die vermutlich mit der Finanzierung des Donbass und der Krim schon genügend Probleme haben. In so einem Fall würden allerdings auch die Europäer Stress mit den USA bekommen, weil die USA an dieser Stelle die alte Sowjetunion eingemauert hatten. Man hat die Sowjetunion in Griechenland geostrategisch vom Wasser des Mittelmeers ferngehalten und sich deshalb auch nicht besonders darüber echauffiert, als dort eine Militärdiktatur herrschte. Gleiches gilt für die Türkei. Da dominierte der geostrategische Aspekt, und den gibt es aus amerikanischer Perspektive nach wie vor.
Auch wenn Griechenland sich Russland annähert, wäre es immer noch Nato-Mitglied.
Wir beobachten heute, dass es im Verbund der EU einige Akteure gibt, die eine gewisse Nähe zu Russland und zu Putin suchen. Die Ungarn etwa gehören auch dazu. Wenn diese Akteure sich Russland annähern, dann werden sie sehr viel stärker nicht-EU-konforme Interessen ins Spiel bringen. Und das ist für uns sicherheitspolitisch unangenehm. Dann stellt sich die Frage: Kaufen wir uns dort wieder ein, indem wir mehr Geld geben als die Russen? Oder sagen wir: Dann seid ihr uns egal, wir sparen ja auch viel Geld damit? In jedem Fall haben wir einen Krisenherd, der immer näher ans europäische Zentrum heranrückt, also nicht mehr auf Syrien oder Nordirak oder die Ostukraine beschränkt ist. Dieser neue Krisenherd würde weit nach Mitteleuropa hineinreichen.

"Neoliberal ist heute das böse Wort"

Passen solche geostrategischen Überlegungen überhaupt in die Europäische Union? Die EU versteht sich doch bisher vor allem als eine Wirtschafts- und Wertegemeinschaft.
Vermutlich muss man da doch einmal unterscheiden zwischen dem, was die öffentliche  Diskussion ist, und dem, was die tatsächlichen Überlegungen sind. Solange man gesagt hat, alle sicherheitspolitischen und geostrategischen Fragen bleiben bei der Nato, und die EU hat so etwas nicht auf der Agenda, konnte man sich auch leisten zu sagen, wir sind ein gemeinsamer Markt und darüberhinaus keine Sicherheitsgemeinschaft usw. Aber in dem Moment, wo die Nato ihren Charakter verändert, weil die USA weniger in Europas Sicherheit investieren - Stichwort Obama-Doktrin, pazifischer statt atlantischer Raum - in dem Moment wandern zunehmend sicherheitspolitische Aufgaben hinüber zur EU.
Welche Spannbreite von politischen Leitbildern verträgt denn das europäische Projekt? Passt da vom Nationalismus bis zum Neokommunismus wirklich noch alles hinein?
Ich glaube schon, dass es Grenzen gibt. Die erste dieser Grenzen heißt: Die Europäische Union ist im Hinblick auf ihre ökonomischen Ursprünge eine Union, die Protektionismus verhindert. Gewisse dirigistische Wirtschaftssteuerungsprojekte funktionieren aber nur unter protektionistischen Bedingungen. Insofern gibt es Grenzen dessen, was innerhalb der EU möglich ist. Das ist in den europäischen Verträgen auch so geregelt. Das Problem ist jedoch: Findet sich einer, der die Kosten und Mühen und Lasten auf sich nimmt, den Verträgen auch Geltung zu verschaffen.
Also stimmt es, wenn die Kritiker links- und rechts-außen sagen, die EU sei ein "neoliberales Projekt"?
Für bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Vorstellungen, aber auch identitätspolitische Vorstellungen - da habe ich Ungarn im Auge - ist dieser EU-Raum in der Tat ungeeignet. Denn die Verpflichtungen, die dazugehören, machen solche Projekte unmöglich. "Neoliberal" ist dann natürlich ein Denunziationsbegriff, mit dem das belegt wird. Das ist gewissermaßen heute das "böse Wort" für europäische Integration und Prozesssteuerung auf europäischer Ebene.
 
Es hat sich in der Euro-Krise gezeigt, dass Deutschland eine neue Führungsrolle zuwächst. Hat die Bundesregierung schon genug getan, um diese Rolle auszufüllen?
Das Spannende ist, dass „hinterrücks“ etwas ganz Anderes herausgekommen ist als eigentlich geplant war. Eigentlich haben alle gesagt: Brüssel, Brüssel, Brüssel! Wir geben die Kompetenzen nach Brüssel, die EU-Kommission macht das, und die intergouvernementalen Absprachen der Regierungen verlieren an Bedeutung. Jetzt stellen wir fest: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die gegenseitigen Ressentiments in Europa sind gewachsen. Und der Bundesrepublik ist eine Orientierungs- und Führungsfunktion zugewachsen, die die Deutschen gar nicht gewollt haben. Wir dachten: Na gut, also wenn überhaupt, dann machen wir ein "Leading from Behind", also Führung aus der zweiten, besser noch aus der dritten Reihe. Das alles hat sich im Augenblick ins Gegenteil verkehrt.
Warum ist das so?
Es hat mit dem Wachstum zentrifugaler Kräfte in Europa zu tun, mit der Heterogenität Europas, die offenbar von EU-Kommission und Europaparlament nicht hinreichend bearbeitet werden kann. Dazu bedarf es eines starken Akteurs, der beides kann: Zahlen und Durchsetzen. Diese Kombination von Zahlmeister und Zuchtmeister ist etwas, das erforderlich geworden ist, was die europäische Ebene aber erkennbar nicht hinbekommt. Also ist es bei der „Macht in der Mitte“ gelandet.
Ist das also die künftige Rolle Deutschlands?
Als der wirtschaftlich stärkste Akteur, der beim Zusammenhalten Europas die größten Vorteile und die höchsten Kosten hat, ist Deutschland in diese Rolle hineingeraten. Nun muss man dabei klug sein. Wir haben unsere Geschichte, und die wollen wir nicht vergessen. Es ist dies – jedenfalls für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts – eine für Europa sehr unerfreuliche Geschichte. Wir sind dadurch verwundbar, vergessen wir nicht die Karikaturen von Frau Merkel mit Hitlerbärtchen, Hakenkreuz-Armbinde oder Pickelhaube auf dem Kopf.
Die Frage: Tun wir genug oder nicht genug? ist immer zu kombinieren mit der Frage: Ist das möglich? Oder geht das über die Grenze dessen hinaus, was uns möglich ist. 
Noch einmal nachgefragt: Tun wir genug?
Nein. Um bei Ungarn zu bleiben: Da tun wir gar nichts, um die zur demokratischen Rechtsstaatlichkeit zu zwingen. Aber die Frage ist: Können wir mehr tun, ohne stärker zu schaden als zu nutzen. Es gibt eine systemische Anforderung und es gibt das Mögliche - und beides ist nicht kongruent. Deswegen ist Europa heute auch in vieler Hinsicht in der Krise. Wäre es kongruent, dann könnte man sagen: Okay, Merkel sollte sich jetzt mal ein bisschen energischer einsetzen für bestimmte Fragen. Sie kann das ja durchaus, auch vom Typ her. Sie ist keineswegs nur eine, die immer nur zuwartet.

Andere Krisenländer drängen auf Fiskaldisziplin

Im Fall Griechenland geht es letztlich "nur" um Geld. Mit diesem Instrument hat die Bundesrepublik eigentlich schon immer Einfluss genommen.
Wie sagt Mao Tsetung? Bestrafe einen, erziehe Hundert. Wenn man mit Griechenland ganz gelassen umgeht und sagt: Wir wollen euch nicht wehtun, dann schauen andere natürlich auch darauf. Deswegen hat sich die Diskussion so eigenartig verschoben. Die Franzosen wollen gar nicht so sehr, dass man den Griechen auf die Finger haut, denn so lange die Griechen beim Euro dabei sind, fallen sie selber mit ihrer Fiskalpolitik nicht auf. Es sind jetzt die Länder, die selbst große Anstrengungen unternommen haben, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen, die darauf drängen, dass gegenüber Griechenland eine härtere Linie gefahren wird. Das ist eigentlich für die Bundesrepublik ganz schön, weil man aus der ersten Linie des Feuers herausgekommen ist. Natürlich ist klar, dass es das griechische Interesse ist, das Feuer vor allem auf die Deutschen zu richten: Wegen der historischen Verwundbarkeit, und weil es letzten Endes die Deutschen sind, die zahlen würden.
Seit den britischen Wahlen macht noch ein weiteres Risiko für Europa Schlagzeilen: Der Brexit. Ist das wirklich eine ernsthafte Gefahr?
Es wäre jedenfalls eine sträfliche Nachlässigkeit, diese Möglichkeit nicht zu denken. Wenn die Briten aus der EU austreten, dann werden die Schotten versuchen, aus Großbritannien auszutreten. Für die Briten ist das also nicht nur eine Geschichte der politischen Optimierung ihrer Situation in Europa, sondern es ist eine riskante Politik, die Großbritannien in Frage stellt. Das gilt letzten Endes auch ökonomisch: Wenn Großbritannien austreten würde, könnte London seine Rolle als starker Finanzplatz wohl nicht erhalten. Frankfurt würde sich dann die Hände reiben. Jedenfalls die Frankfurter Grundbesitzer, die Londoner Immobilienpreise erzielen wollen.
Was würde ein Brexit für die Rolle Deutschlands in Europa bedeuten?
Erst einmal ist Großbritannien Nettozahler. Ein Austritt bedeutet also für uns in Deutschland, dass wir noch ein bisschen höhere Anteile haben. Zum anderen ist Großbritannien für das politische Agieren wichtig, weil es von der ökonomischen Auffassung her weniger staatsorientiert ist. Die Gegenposition nimmt politisch Frankreich ein. Es ist politisch vorteilhaft für die Bundesrepublik, wenn sie da eine Mitte halten kann. Wenn der im weiteren Sinn wirtschaftsliberale Flügelmann Großbritannien weg ist, dann wird es sehr viel schwieriger, gegen dirigistische Positionen gegenzuhalten. Man gerät aus einer politischen Mittellage in eine Randposition. Das ist unkomfortabel.
Früher hieß es immer, die europäische Integration werde gerade durch ihre Krisen vorangetrieben. Von Krise zu Krise wachse Europa letztlich immer enger zusammen. Gilt diese Theorie eigentlich auch heute, angesichts von Grexit- und Brexit-Debatten, immer noch?
Das ist ja eigentlich keine Theorie gewesen, sondern ein Beobachtung, die freilich auf entgegenkommenden Rahmenbedingungen beruht hat: dass es nämlich einen Zwang zur Einigung gab, dass es nur eine sehr begrenzte sozioökonomische Heterogenität und nur sehr begrenzte politisch-kulturelle Zentrifugalkräfte gab. In der gegenwärtigen Situation ist es nicht mehr ausgemacht, dass eine Krise zu einer Stärkung des institutionellen Designs der EU führen wird. Krisen können auch die Bruchstellen so offenlegen, dass es dann wirklich zu Brüchen kommt. Insofern bin ich alles andere als ein Krisenoptimist. Es gibt diese wunderbare Hölderlin-Formulierung: „Wo die Gefahr am größten ist, da wächst das Rettende auch.“ Aber das ist keine Magie, die man immer auf die europäische Einigung anwenden kann. Da kann es auch richtig krachen.


Quelle:

capital.de

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