Die US-Notenbank will kein Geld mehr drucken. Damit dürfte die große
Börsenparty der vergangenen Jahre zu Ende gehen, auch Kursverluste
drohen. Doch eine andere Notenbank könnte einspringen.
Von
Frank Stocker und Holger Zschäpitz
Man kann es sich wie eine
Sangria-Party am Ballermann auf Mallorca vorstellen: Fröhlich wird der
Eimer herumgereicht, und die Herumstehenden flößen sich nacheinander
etwas von dem süßen Gesöff ein. Abwechselnd, immer wieder, immer mehr.
Jeder darf mitmachen, er muss nur einen Strohhalm dabeihaben. Nach und
nach wird die Feiergemeinde immer lustiger und beschwingter. Schließlich
wird gejohlt, gelacht und gegrölt. Bis plötzlich der Eimer leer ist.
Die
internationalen Finanzmärkte kommen jetzt genau in eine solche Lage.
Jahrelang wurden sie von der US-Notenbank (Fed) mit Geld versorgt. Sie
ließ die Notenpresse rattern und schleuste zig Milliarden an die Börsen.
Die Kurse stiegen unaufhörlich, Wertpapierbesitzer fühlten sich immer
reicher und beschwingter. Doch am Mittwochabend verkündete die Fed, dass
jetzt Schluss damit sei.
Historische Entscheidung
Sie
gab bekannt, dass sie das Volumen ihrer Wertpapierkäufe von zuletzt 15
Milliarden Dollar pro Monat auf null zurückfahren wird. Auch wenn 15
Milliarden in der Finanzwelt, in der beispielsweise am Devisenmarkt
täglich sechs Billionen Dollar umgeschlagen werden, wie Peanuts klingen,
handelt es sich um eine historische Entscheidung.
Denn
nach gut sechs Jahren stellt die Fed nun die Notenpressen ab. Den
Investoren fehlt damit plötzlich der Nachschub an billigem Geld. Und wie
der hemmungslose Partygänger könnten sie demnächst mit einem gehörigen
Kater aus der Feierlaune aufwachen.
Entsprechend
fielen die Marktreaktionen aus. Die Aktienbörsen verloren kräftig an
Wert. Der Aktienindex S&P 500 rutschte um 0,6 Prozent ab, nachdem er
zu Beginn der Sitzung noch im Plus notiert hatte. Der Dollar schoss in
die Höhe. Wenn in Zukunft weniger Dollar gedruckt werden, erhöht das den
Wert der Devise. Ablesen ließ sich die Unsicherheit auch am sogenannten
Angstindex VIX. Dieser schoss um mehr als zwölf Prozent nach oben.
Unruhe an den Börsen
Die
Unruhe an den Börsen ist nicht ohne Grund. Denn die Aktienkurse folgten
in den vergangenen sechs Jahren fast schon sklavisch der Ausweitung der
Notenbankbilanz. Im Dezember 2008, unmittelbar nach der Pleite der
US-Investmentbank Lehman Brothers und der darauffolgenden tiefen
Finanzkrise, startete die Fed ihre erste Runde des sogenannten
Quantitative Easing (QE), wie der Kauf von Wertpapieren durch die
Notenbank genannt wird.
Kurz
darauf begannen die Kurse wieder zu klettern – bis die erste Phase des
Gelddruckens, QE1, im März 2010 auslief. Anschließend brachen die Kurse
ein. Der amerikanische Aktienindex S&P 500 rutschte in weniger als
einem halben Jahr um knapp zehn Prozent ab. Doch dann startete die Fed
im November 2010 QE2, und prompt stiegen die Kurse wieder.
Von
Juni 2011 bis September 2012 folgte dann die zweite Phase, in der die
Druckerpressen stillstanden – und an der Börse ging es nur müde voran.
Erst seit QE3 im September 2012 startete, gingen die Kurse erneut durch
die Decke. Der S&P 500 schoss erstmals in seiner Geschichte über die
2000-Punkte-Marke.
Nun könnte der Kater folgen
Nun,
nach mehr als einem halben Jahrzehnt der Geldschwemme, soll endgültig
Schluss damit sein. "Ein geldpolitisches Experiment geht damit in seine
nächste Phase", sagt Martina von Terzi, Volkswirtin bei der Unicredit.
Ein Experiment, bei dem die Fed mit der Notenpresse die Wirtschaft
ankurbeln wollte.
Dazu
hat sie ihre Bilanz durch Wertpapierkäufe um 3,9 Billionen Dollar
ausgeweitet – das entspricht mehr als der deutschen Wirtschaftsleistung
eines Jahres. Die Wirtschaftsleistung der USA ist dadurch jedoch nur um
etwa 2,5 Billionen Dollar gestiegen. Die Notenbank musste also rund 1,5
frische Dollar drucken, um ein Wachstum von einem Dollar zu erzeugen.
Gleichzeitig hat sich die Arbeitslosenrate von zehn auf 5,9 Prozent fast
halbiert. Folglich herrscht auch Uneinigkeit darüber, ob QE wirklich
etwas gebracht hat.
Zumal
nun der Kater folgen könnte. Zuallererst gilt das für die Aktienmärkte.
"Das nahende Ende von QE wird seit Ende 2010 mit einem Abverkauf am
Aktienmarkt in Verbindung gebracht", sagt David Woo, Zinsexperte bei Bank of America
Merrill Lynch, mit Blick auf die jeweiligen Phasen in den vergangenen
Jahren, als die Notenpresse zeitweise stillstand. "Und jedes Mal, wenn
sich der Abverkauf verstärkte, startete die Notenbank eine neue
QE-Runde." Beispielsweise wurde QE2 nach einem Verlust von elf Prozent
im S&P 500 gestartet, QE3 folgte auf einen Kursverfall von 16
Prozent.
Dabei war es
nach Ansicht von Terzi gar nicht mal das von der Notenbank gedruckte
Geld selbst, das die Börsen anschob. Vielmehr habe die Fed auf diese
Weise das Vertrauen der Investoren in die wirtschaftliche Erholung
gestärkt und sie so zu einer größeren Risikofreude bewogen, mithin also
zum Kauf von Aktien.
Geldspritzen wirkten wie eine Art Droge
Sichtbar
wird das auch am sogenannten Angstindex VIX. Dieser schoss immer dann
in die Höhe, wenn die Fed mit den Geldspritzen pausierte, und dümpelte
gemächlich vor sich hin, wenn die Liquidität sprudelte. Der
Harvard-Historiker Niall Ferguson spricht davon, dass die Fed die
Investoren abhängig gemacht habe von den Geldspritzen, die wie eine Art
Droge wirkten. Erst wenn die Droge längere Zeit abgesetzt sei, könne man
den Erfolg der US-Geldpolitik abschätzen.
Entscheidend
dafür, wie sich die Börsen nun nach dem Ende von QE entwickeln, wäre
demnach, wie robust die Akteure ohne die Droge Liquidität auskommen,
sprich: wie stark das Vertrauen des Marktes in die konjunkturelle Stärke
jetzt ist, vor allem jene der weltführenden USA. Reicht es aus, um
einen Ausverkauf an den Aktienmärkten abzuwenden?
Richard
Adams, Portfolio-Manager bei Threadneedle, ist positiv gestimmt. Er
rechnet mit einem Wachstum der US-Wirtschaft von zwei bis drei Prozent,
und dazu würden vor allem die Verbraucher beitragen. "Einige Jahre
mussten die US-Verbraucher den Gürtel enger schnallen, doch jetzt hat
sich ihre Finanzlage gebessert." Und da der Konsum rund 70 Prozent der
US-Wirtschaft ausmacht, ist das entscheidend.
Startet auch die EZB ein QE-Programm?
Allerdings:
Die Daten aus den USA waren zuletzt durchaus wieder gemischt.
Einerseits wurden im September so viele Eigenheime verkauft wie seit
2008 nicht mehr. Andererseits war der Empire-State-Index, ein wichtiger
Frühindikator, deutlich gesunken, und die Einzelhandelsumsätze deuteten
ebenfalls darauf hin, dass die Verbraucher sich eher zurückhalten.
Solche
negativen Nachrichten könnten in den kommenden Monaten stärkeres
Gewicht bekommen, wenn die Unterstützung durch die Notenpressen der Fed
fehlt. Ob sie diesmal jedoch wieder zu Hilfe eilt und einfach QE4
startet, wenn die Kurse allzu sehr fallen, ist allerdings fraglich. Denn
das eigentliche Ziel dieser Geldpolitik, ein deutliches Absinken der
Arbeitslosenrate, ist inzwischen erreicht.
Aber
vielleicht kommt diesmal ja Hilfe von anderer Seite. Inzwischen glauben
immer mehr Beobachter, dass in Kürze schon die Europäische Zentralbank
(EZB) genau das macht, was die Kollegen in den USA die letzten sechs
Jahre betrieben haben: Geldpolitik mit der Notenpresse.
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank,
hält es beispielsweise mittlerweile für möglich, dass die EZB noch in
diesem Jahr ein QE-Programm startet, also ihrerseits Staatsanleihen
aufkauft. Ob das dann reicht, um die versiegende Geldflut aus den USA
auszugleichen, wird sich zeigen.
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